Der Spiegel: „Nicht wenige Frauen verüben einen Mord gleichsam als Befreiungsschlag. ‚In vielen Fällen geht der Tötung ein längerer Prozess des Abwägens voraus’, sagt Kriminalpsychologe Egg. Der Mord sei ‚der Versuch, eine unerträglich werdende Qual zu beenden.’ Frauen töten, um sich aus Beziehungen zu befreien, in denen sie geprügelt und gedemütigt würden und aus denen sie keinen anderen Ausweg sähen. ‚Männer töten dagegen eher aus Wut, Verlustangst und Eifersucht. (…) Nicht selten töteten Männer gar zweimal: Jeder zehnte nimmt sich nach der Tat das Leben.“
In einem anderen Artikel berichtet der Spiegel über eine Frau, die ihren fünf Monate alten Sohn erstickt hat: „Es ist eine Tragödie, die nichts gemein hat mit den Fällen, in denen überforderte Eltern, meist Väter und Stiefväter, im Gewaltrausch ihre Kinder töten. Kinder, die sie zuvor Wochen, Monate lang vernachlässigt und misshandelt haben. (…) Dieser Fall ist vielmehr eine Tragödie, die sich aus den unerfüllten Sehnsüchten einer Frau entwickelte. Einer Frau, die nie Täterin werden wollte.“
Die Welt: „Die Probleme wuchsen ihr über den Kopf. (…) ‚Wer sein Kind tötet, will im Grunde sich selbst töten. Die Welt ist diesen Frauen unerträglich geworden’, sagt [Anwältin und Psychologin] Annegret Wiese und spricht daher auch von einem erweiterten Suizid. Oft haben diese Frauen eine besonders symbiotische Beziehung zu ihrem Kind, aus dem sie sich selbst nicht lösen können, wenn es älter wird. ‚Sie wollen es vor allem Übel bewahren.’“
Noch mal die Welt: „Damit eine Frau Amok läuft, müssen dem enorme Kränkungen, Demütigungen, Verletzungen vorangegangen sein’, sagt der Kriminalpsychologe Christian Lüdtke.“
Die taz fragt: „Die Amokläuferin von Lörrach hat zuerst ihren Mann erschossen und danach ihren Sohn bewusstlos geschlagen, um ihn dann mit einer Plastiktüte zu ersticken. Warum bringt eine Mutter ihr Kind um?“ Kriminologin Justine Glaz-Ocik antwortet: „So merkwürdig es klingt, aber ein Teil der Täterinnen tut das aus Liebe. Einige der Mütter, die sich das Leben nehmen, fragen sich vorher: Was passiert mit meinem Kind, wenn ich nicht mehr da bin?“ – taz: „Ist das nicht eine narzisstische Haltung?“ – Kriminologin: „Das sehen wir Außenstehende so. Aber diese Täterinnen ticken anders. Sie wollen ihrem Kind Leid ersparen, jetzt und in der Zukunft.“
Und wenn die Täter Männer sind?
Wie wird dagegen über männliche Kindsmörder berichtet, die ihren Kindern „Leid ersparen“ möchten? Zum Beispiel so wie in der Berliner Zeitung: „Der Vater hat auch einen seiner Abschiedsbriefe an die Redaktion der Bild-Zeitung geschickt. (…) Darin schrieb der Mann, er habe in voller Verantwortung und bei klarem Bewusstsein aus ‚fürsorglicher Liebe’ gehandelt. Der Mann habe vermutlich an einer krankhaften Ich-Bezogenheit (Narzissmus) gelitten, sagt Isabella Heuser, Direktorin der Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. (…) Deshalb habe er nahezu gottgleich über das Schicksal seiner Familie bestimmen wollen. (…) Dass jemand einen Abschiedsbrief an die größte deutsche Boulevardzeitung schickt, spreche für eine hochgradig narzisstische Vorgehensweise. ‚Dieser Mann wollte bekannt werden und sich rechtfertigen. Er wollte die Bühne dieses Lebens mit einem großen Knall und einer kalkulierten Inszenierung verlassen.“
Oder wie in Der Westen (Funke Medien NRW): „Nach dem Tod eines Jungen in Oberhausen stellt sich wie bei der dreifachen Kindstötung in Dortmund die gleiche Frage: Warum? Ein mögliches Motiv: Rache. ‚Das ist ein typisches Grundmotiv’, sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer. Männer würden Kinder töten, um ihre Frauen zu bestrafen. ‚Dass Männer sich an Frauen rächen wollen, indem sie ihre Kinder töten, ist ein durchaus typisches Grundmuster.’ (…) Typisch vor allem dann, wenn der Tötende die Frau dafür bestrafen möchte, weil sie nicht so mitspielt, wie er es gerne möchte. (…) Solche Situationen entwickelten sich jedoch nicht in einer funktionierenden Beziehung, sondern in Stress-Situationen oder wenn etwa die Frau ankündige, sie wolle sich trennen. Die Rache für solch eine narzisstische Kränkung sei eine der Ursachen für Kindestötungen.“