Doppelmoral im Textvergleich: Opfererfahrung

Doppelmoral im Textvergleich: Opfererfahrung

Die Oe24, eine überregionale Tageszeitung aus Österreich, titelt: „Frau reißt Ehemann Hoden ab. Weil ihr Gatte keine Hausarbeit machen wollte, rastete die Frau aus.“ Das Ganze steht in der Rubrik „Kurioses“.

Der Tag24 (Morgenpost Sachsen GmbH): „Schlechter Sex trieb eine 18-jährige Münchnerin zur Weißglut. Nachdem ihr One-Night-Stand sie nicht nach ihren Wünschen befriedigen konnte, ging sie auf ihn los und verletzte den 17-jährigen schwer. (…) Von nun an sollte der junge Mann vielleicht etwas länger darüber nachdenken, wen er mit nach Hause nimmt oder sich beim nächsten Mal einfach ein bisschen mehr anstrengen.“

Und der Blick aus der Schweiz: „Mathelehrerin verführt Schüler (15). Sie brachte ihm das Sexmalsex bei.“

Die Bild-Zeitung fragt angesichts des Zusammenlebens eines 42-jährigen mit einer Minderjährigen: „Was treibt die kleine Anne (15) nur immer wieder in die Arme dieses tätowierten Liebesmonsters? Und warum unternehmen die Behörden nichts?“ Wenn jedoch eine 24-jährtige Lehrerin Sex mit einem 14-jährigen Schüler hat, sieht für dieses Blatt die Sache offenbar anders aus. Dann ist die Täterin nicht nur „Amerikas schönste Lehrerin“ oder ein „Verführungsbiest“, und ihre Übergriffe werden als „Lust-Schule der schönen Lehrerin“ verharmlost, sondern dann nimmt Bild die Tatsache, dass sie künftig nicht mehr als Lehrerin arbeiten darf, zum Anlass für den schlüpfrigen Kommentar: „Das werden viele Schüler in Amerika sicher bedauern.“

Die Amica pathologisiert Boris Becker, der es gewagt hat, die ihm zugefügte häusliche Gewalt öffentlich zu machen. Amica: „Woher kommt dieses Geltungsbedürfnis?“ – [Paartherapeutin] Bärbel Wardetzki: „Er hat bestimmt eine narzisstische Ader entwickelt. Die Sozialisation als Star führt dazu, dass man sich für etwas Besseres hält.“ (…) – Amica: „Andererseits gibt Boris Becker mit Aussagen wie ‚Barbara hat mich geschlagen’, ‚Sandy hat mich nur ausgenutzt’ nicht gerade den selbstbewussten Fraueneroberer. Warum?“ – Wardetzki: „Er stellt sich jedenfalls als Opfer dar. Ich kann nur geschlagen werden, wenn ich mich schlagen lasse. In so einem Fall hätte die Reaktion sein müssen: Du schlägst mich einmal und nicht wieder. Da hilft es nichts, jetzt die Frau zu verteufeln. Sich hinzustellen und zu jammern, ist reines Opferverhalten.“ – Amica: Warum stellt ein Mann sich als Opfer dar? – Wardetzki: Entweder um Mitleid zu erregen oder sich an der Frau zu rächen. Opfer wollen immer gerettet werden. Vor allem aber geht es darum, dass Opfer-Männer keine Verantwortung übernehmen wollen. Das Spiel ist immer ein Drama-Dreieck aus Opfer, Täter und Retter. Das Opfer schiebt alle Schuld auf den Täter und möchte sich mit seinem Anteil nicht auseinandersetzen.“